HISTORIE Eingemeindung
 

 



 






 

 


 

 


 

 


 

 


 

Vierter Antrag der Gemeinde Ehrenfeld

An den Hohen Provinzial-Landtag der Rhein-Provinz in Düsseldorf

Wenngleich der im vorigen Frühjahre bereits zum dritten Male von der Gemeinde Ehrenfeld gestellte Antrag, in den Verband der Städte aufgenommen zu werden, Seitens des hohen Provinzial-Landtages wiederholt ablehnend zurückgewiesen worden ist, so hat dennoch der Gemeinderat den vierten Versuch machen zu müssen geglaubt(,) um dem Orte Ehrenfeld die Rechte zu erwirken, deren derselbe so dringend bedarf, ihm auch nach Außen hin den Charakter zu geben, den er in Wirklichkeit längst in weit höherem Maaße besitzt, als eine große Anzahl von Orten in der Rheinprovinz und in Preußen überhaupt, die sich schon lange der städtischen Rechte erfreuen.

Der unterzeichnete Gemeinderat gestattet sich daher(,) hierdurch nochmals den Antrag einzubringen:

„Hoher Provinzial-Landtag wolle beschließen: die Aufnahme „der Gemeinde Ehrenfeld in den ständischen Verband der Städte „bei Sr. Majestät dem Kaiser und Könige zu beantragen." Zur Motivierung unseres Antrages diene Folgendes:

Ehrenfeld, der größte Vorort Kölns, zählte 1858: 762, 1861: 1272, 1865: 2535, 1870: 6000, 1873: 7500 und augenblicklich bereits über 8564 Seelen. Es liegt im dritten Rayon der Festung Köln an der Köln-Rommerskirchen-Grevenbroicher Bezirksstraße und befindet sich zwar jetzt noch im Bürgermeisterei-Verbande mit der Gemeinde Müngersdorf, allein es ist bereits ein Antrag im Werke, die Lostrennung Ehrenfelds als einer selbstständigen Bürgermeisterei zu erwirken, weil die Interessen des Ortes mit seinem durchaus städtischen Charakter ganz andere sind, als die der im gleichen Bürgermeisterei-Verbande befindlichen ländlichen Ortschaften. Die Grund- und Gebäudesteuer beträgt pro 1871 M. 9609. -, pro 1875 aber M. 11916. Die Klassen- und Einkommensteuer pro 1871 M. 11742, pro 1875 M. 30408. Die Gewerbesteuer pro 1871 M. 3459, pro 1875 M. 5370. Kommunal-Einkommensteuer-Veranlagungsfuß der Forensen beträgt pro 1871 M. 7671, pro 1875 aber M. 16082.

Gemeindesteuer (inkl. katholische Kultuskosten 331/3%) beträgt M. 84398, wofür auf Staatssteuer 53 1/3 % und auf den Kommunal-Einkommensteuer-Veranlagungsfuß 150% erhoben werden.  Ein Polizei-Kommissar mit dem Sitze in Ehrenfeld ist für die gesamte Gemeinde angestellt. Ackerland wird zwischen M. 18000 bis 24000 pro Hektare, Bauplätze von M. 9-45, und ausnahmsweise bis zu M. 72 per Quadratmeter bezahlt; 1873 wurden 250, 1874 171 neue Häuser gebaut. Die hier etablierte Station der Rheinischen Eisenbahn mit Telegraphenstation warf 1871 eine Brutto-Einnahme von M. 450000, 1874 aber eine solche von M. 570000 ab. Die Köln-Gladbacher Strecke der Bergisch-Märkischen Bahn wird Ehrenfeld berühren und jedenfalls einen größeren Bahnhof anlegen. Für die Rheinische Eisenbahn ist bezüglich des Verkehrs Ehrenfeld die zwölftgrößte ihrer sämtlichen Stationen. Der Postverkehr ergab in 1869 an Briefpostsendungen 59800 Stück, 1874 aber 386964 Stück. Sendungen mit deklariertem Werte 1869 M. 740148, im Jahre 1874 M. 1927679. Postanweisungen wurden ausgezahlt 1869 M. 55629, 1874 M. 275826. Eingezahlt 1873 M. 72348 gegen M. 239940 in 1874. Für verkaufte Freimarken wurden M. 20522 gelöst. Der Verkehr mit der Stadt Köln wird durch die Rheinische Eisenbahn, die Post, 11 Omnibusse, 5 Droschken und eine große Anzahl Privatwagen vermittelt.

Der Bau einer Pferde-Eisenbahn ist im Werke, da die genannten Verkehrsmittel nicht genügen. Landwirte sind im Orte gar nicht vorhanden. Die Bevölkerung besteht aus Fabrikanten, Kaufleuten, Rentnern, Beamten, Geschäftsleuten, Handwerkern, Fabrikarbeitern und einigen Gärtnern. Die Dampfmühlen-, Farben-, Anilin-, Salpeter-, Waggon-, Glas-, Ziegel-, Goldleisten-, Tapeten-, Eisenbahn-Utensilien-Fabriken gehören zu den bedeutendsten ihrer Art. Im Ganzen sind über 40 Fabriken vorhanden. Die Straßen sind breit und schön, größtenteils gepflastert und mit Trottoirs und Gasbeleuchtung versehen. Die Hauptstraße, soweit sie in fortlaufender Reihe mit Häusern besetzt ist, hat eine Länge von 1430 M(etern) bei einer Breite von 12,5 M(etern). Die Häuser sind bis auf wenige Ausnahmen massiv und wohlansehnlich ausgeführt, meistens dreistöckig. Eine große Pfarrkirche, im vorigen Jahre für den Preis von 120000 M. vollendet, 2 Kapellen, 1 evangelischer Betsaal, 1 jüdische Synagoge er-möglichen die Befriedigung der kirchlichen Bedürfnisse; für eine evangelische Pfarrkirche ist der Platz bereits erworben und der Plan festgestellt, so dass wohl noch in diesem Jahre mit dem Bau energisch vorangegangen werden wird.

Der Ort hat außer den Elementarschulen der Bekenntnisse mit 18 Lehrern und Lehrerinnen 1 höhere Rectoratschule und 1 isr(aelisches) Lehrerseminar, ferner 2 Bankinstitute(,) die gut prosperieren, 2 Buchdruckereien sind vorhanden, 2 Zeitungen erscheinen daselbst, kurz, wie auch das öffentliche Leben sich äußert, in jeder Beziehung tritt der ausgeprägt städtische Charakter unzweifelhaft und deutlich in die Erscheinung.

Nach Verleihung der Städteordnung würde Ehrenfeld aus der 4. voraussichtlich in die 3. Abteilung der Gewerbesteuer aufrücken und in Folge dessen nur die Klasse B Kleinhändler, ein Mehr von M. 1050, und die Klasse C Wirthe M. 750 mehr aufzubringen haben. Diese Erhöhungen sind im Verhältnis zu dem Gesamtbeträge von M. 47694 Staatssteuer verschwindend klein.

Verkehrsentwicklung, Bautätigkeit und Bevölkerung sind in den letzten Jahren noch mehr wie früher gestiegen, insbesondere aber hat sich die Steuerkraft trotz der nach den neuen Klassensteuersätzen eingetretenen bedeutenden Ermäßigung von 4,1 Mark im Jahre 1871 auf 5,59 Mark im Jahre 1875 pro Kopf gehoben und der Kommunal-Einkommensteuerfuß der Forensen in demselben Zeitraum mehr wie die doppelte Höhe erreicht. Es ist hierdurch und durch die übrigen Zahlenangaben erwiesen, dass der Aufschwung Ehrenfelds kein momentaner oder schwankender, sondern ein stetiger, ungewöhnlich wachsender und von ländlichen Verhältnissen keine Spur vorhanden ist.

Die Gemeinde glaubt um so mehr die Befürwortung Seitens des hohen Provinzial-Landtages erwarten zu dürfen, als dem Allerhöchsten Erlass vom 16. Mai 1856, G. S. S. 205 zufolge die Einführung erleichtert und gefördert werden soll und Orte mit 2000 bis 4000 Seelen, wie Oberwesel, Mettmann, Velbert, Hilden und viele andere, sowie in jüngster Zeit Honnef, Wermelskirchen die Städteordnung erlangt haben, während Ehrenfeld mit seinen beinahe 9000 Einwohnern und seiner Landgemeinde-Ordnung als Unicum in der Rheinprovinz dasteht.

Ehrenfeld, den 27. März 1875 Der Bürgermeister, Schult.

Die Kommission des Gemeinderats,

W. Hackländer, 

Ph. Hoffmann, 

C. F. Forst, 

J. C. Pellens.

 

 

CDU-Fraktion vom 15.03.2004

 

 

 

 

 

                               gez. Vogel